Der Hildesheimer Bischof Dr. Heiner Wilmer SCJ hat seine Weihnachtsbotschaft für dieses Jahr veröffentlicht. Zentrale Themen darin ist der gesellschaftliche Zusammenhalt und die Solidarität. Der Text folgt unten im Wortlaut.
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„Liebe Leserinnen und Leser, sehr geehrte Damen und Herren,
Krieg und Krise sind wahrscheinlich die beiden Wörter, die Sie und ich in diesem Jahr am häufigsten in den Nachrichten gehört oder gelesen haben. Es ging um Panzer, Raketen, Drohnen und unzählige Tote in der Ukraine. Es drehte sich um Kostenexplosionen, Inflationsspiralen, Gaspreisbremsen und Entlastungspakete. Und dazwischen geisterte immer noch und immer wieder das große Negativ-Thema der beiden Vorjahre durch die Schlagzeilen: die Corona-Pandemie.
All das zerrt und zehrt an uns Menschen. Wen lässt es kalt, wenn mit Atomwaffen gedroht wird? Wer sorgt sich nicht um seine Familie, wenn die Kosten für Energie und Lebensmittel durch die Decke gehen? Wer geht noch unbeschwert seiner Arbeit nach, wenn seiner Branche vielleicht eine Insolvenzwelle droht? Wer ist frei von Zukunftsängsten, wenn die Auswirkungen von Konflikten so spürbar in unseren Alltag einbrechen wie in den vergangenen Wochen und Monaten?
Das Jahr 2022 hat uns Menschen gezeigt, auf welch dünnem Eis wir stehen. Vor Corona und vor Putins Angriffskrieg erschien uns vieles, zumindest hier in Deutschland, als sicher und stabil. Frieden war eine Selbstverständlichkeit für uns. Doch dieses Jahr hat hinter viele unserer Gewissheiten Fragezeichen gesetzt. Mit diesen Fragezeichen in unseren Köpfen gehen wir nun auf Weihnachten zu.
In der Weihnachtsgeschichte aus dem Lukas-Evangelium lesen wir, dass die heilige Familie nur einen Stall als Herberge hat. Darum herum versammeln sich ein paar Tiere und Hirten. Was ist das für ein ungewöhnliches Bild: Gott kommt als kleines Kind zu uns Menschen, verletzlich und ohne Macht. Trotzdem berührt der Säugling in der Krippe unsere urmenschliche Sehnsucht nach Sinn und Halt, nach Frieden, Zuversicht und Hoffnung in unserem Leben.
Das kann uns durch Krisen tragen. Davon bin ich fest überzeugt. Denn Hoffnung ist ja nicht zu verwechseln mit blindem Optimismus. Hoffnung verbindet sich mit der Erkenntnis, was mich im Leben trägt, mit Sinn erfüllt und über den Tag hinaus währt. Vertrauen wir der eigenen Sehnsucht nach Geborgenheit, Gemeinschaft, Wachstum, Versöhnung und Gerechtigkeit. Um uns all das nahe zu bringen, dafür ist Gott Mensch geworden.
Jesus wurde nicht ohne Grund Heiland genannt. Gott geht es um Heilen durch Aufrichten. Gott geht es um Nähe. Gott geht es um uns. Für uns heißt das: Wo sind wir heilend im guten Sinne bei unseren Mitmenschen? Damit setzt die Weihnachtsbotschaft den Gegenakzent zu Gewalt, Spaltung und Hass, zu Egoismus, Selbstoptimierung und Teilnahmslosigkeit.
Die Botschaft der Krippe ist eine Botschaft des Zusammenhalts und der Solidarität. Jede und jeder von uns kann in seinem Umfeld dazu beitragen, völlig unabhängig davon, ob sie oder er besonders gläubig ist oder nicht. Menschlichkeit ist universal, genau wie Gottes Liebe zu allen Menschen.
Menschlichkeit beginnt im Kleinen, Gott hat an Weihnachten ja auch klein angefangen. Es war zuerst nur ein winziges Zeichen der Rettung, das von einem Stall in Bethlehem ausgegangen ist. Trotzdem hat es die ganze Welt berührt.
Ich wünsche Ihnen gesegnete Weihnachten.
Ihr Bischof Dr. Heiner Wilmer SCJ“