Die deutschen Kinder- und Jugendärzte warnen vor einem sich zuspitzenden Mangel bei Medikamenten für Kinder. Im Herbst und Winter werde es wieder eine Versorgungsnot geben, die noch schlimmer werden könnte als zuletzt, sagte der Präsident des Berufsverbandes, Thomas Fischbach, der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. So fehle es an Fieber- und Schmerzmedikamenten in kindgerechter Darreichungsform, und auch Penicillin gebe es derzeit nicht. Ärzte aus mehreren Ländern und Regionen Europas haben unterdessen einen offenen Brief an ihre jeweiligen Gesundheitsministerien geschrieben. Darin heißt es, die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen sei durch den Medikamentenmangel europaweit gefährdet. Eine schnelle, zuverlässige und dauerhafte Lösung dieses Problems sei dringend erforderlich. Es müsse für die Hersteller wieder ausreichend attraktiv sein, die Medikamente in Deutschland zu produzieren.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) äußerte auf Twitter Verständnis: Die Sorge der Kinderärzte sei berechtigt. Es gebe auch bereits ein vom Kabinett beschlossenes Gesetz, das helfen solle, die Lieferengpässe zu beheben. Dies sei zur Beratung im Parlament.
Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, forderte angesichts des Medikamentenmangels eine EU-weite Arzneimittelreserve. Eine solche Verpflichtung für die Pharmaindustrie könne von Staat und Ärzteschaft „überwacht und gemanagt“ werden, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Grund für die seit Jahren zunehmenden Engpässe in der Medikamentenversorgung seien falsch gesetzte wirtschaftliche Anreize bei der Pharmaindustrie. Dies sei ein "eklatantes Politikversagen": Dass heute darunter vor allem Kinder und auch Krebskranke zu leiden hätten, sei erbärmlich und zeige deutlich, wohin eine übertriebene Kommerzialisierung der Medizin führe. Produktionsstandorte müssten zurück nach Europa geholt werden, und Lieferketten könnten zudem mit mehreren Quellen für Medikamente gesetzlich abgesichert werden.
230501.fx