Die geplante Kindergrundsicherung übergeht junge Menschen, die in Wohngruppen aufgewachsen sind. Dies kritisiert eine Reihe von Expertinnen und Experten aus dem wissenschaftlichen Bereich, darunter auch Prof. Dr. Wolfgang Schröer, der an der Universität Hildesheim die Fachstelle "Leaving Care" inne hat. Junge Menschen, die in Wohngruppen, Heimen oder Pflegefamilien aufwachsen, würden im aktuellen Entwurf zur Einführung einer Kindergrundsicherung nicht berücksichtigt, obwohl sie nach ihrem Auszug häufig in existenzielle Notlagen geraten.
Solche "Careleaver*innen" kämen ganz überwiegend aus sehr schwierigen Lebensverhältnissen, und ihr junges Erwachsenenalter sei geprägt von besonders prekären finanziellen Verhältnissen - von ihren Eltern würden sie finanziell häufig kaum oder gar nicht unterstützt, und einige bräuchten zu ihrem Schutz auch weiterhin den Abstand zu ihnen. Die Expertinnen und Experten haben deshalb konkrete Änderungen für das Bundes-Kindergrundsicherungs-Gesetz vorgeschlagen.
Nach der derzeitigen Rechtssprechung könnten Kinder zwar selbst Anspruchsberechtigte für einen Garantiebetrag sein, aber nur unter der Voraussetzung, entweder Vollwaise zu sein, oder den Aufenthaltsort der leiblichen Eltern nicht zu kennen. Die gehe an der Lebenswirklichkeit von Careleaver*innen vorbei: Die wenigsten seien Vollwaisen, und in einer Vielzahl der Fälle bestehe zu den Eltern aus gutem Grund kein Kontakt.
Werde die Rechtslage nicht geändert, stünden sie also weiter vor der Wahl, sich entweder dem hoch belastenden Kontakt bis hin zur Gefahr einer erneuten Traumatisierung auszusetzen oder auf die Kindergrundsicherung zu verzichten und so in gesteigerter Armut zu verharren. Mit Blick auf den vorgesehenen Zusatzbetrag sei außerdem als Voraussetzung das Zusammenleben in einer Familiengemeinschaft genannt - was wiederum Careleaver*innen vollständig ausschließe.
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