Studie untersucht Leid von Verschickungskindern in Bad Salzdetfurth – Radio Tonkuhle Hildesheim
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Überforderung, Personalmangel und eine Verkettung unglücklicher Umstände haben im Jahr 1969 in der Kinderheilanstalt Bad Salzdetfurth zu drei Todesfällen geführt. Das ist ein Ergebnis einer Studie, welche die Diakonie in Niedersachsen jetzt vorgelegt hat. Sie ist damit nach eigenen Angaben der erste Verband, der am Beispiel der Zustände in einer Einrichtung die Schicksale sogenannter Verschickungskinder systematisch aufgearbeitet hat.

Viele dieser Kinder hätten in ihren Kuren Kälte, Drangsalierungen und Leid erfahren müssen, sagte Diakonie-Vorstandssprecher Hans-Joachim Lenke. Die Todesfälle in Bad Salzdetfurth waren 2019 bekannt geworden, nachdem eine Frau in den Medien beschrieben hatte, wie sie als vierjähriges Kind in der Einrichtung misshandelt worden war.

Ab Ende der 50er bis in die 80er Jahre wurden in Deutschland Millionen von Kindern aus gesundheitlichen Gründen über mehrere Wochen in Kurheime gebracht. Dabei wurde der Erfolg der Behandlung unter anderem an der Zunahme von Gewicht gemessen. Im März 1969 erstickte ein siebenjähriger Junge aus Stadthagen vermutlich deshalb, weil er gezwungen wurde, sein Essen herunterzuschlingen. Zwölf Tage später starb dann eine sechsjährige aus Hamburg an Herzversagen nach einer Infektion, und im Mai schließlich starb ein dreijähriger Junge aus Berlin, nachdem er von anderen Kindern verprügelt worden war.

Die vom Historiker Stefan Kleinschmidt erstellte Dokumentation könne niemand lesen, "ohne von den Schilderungen betroffen, ja belastet zu sein", sagte Lenke. Die beschämenden Erkenntnisse über die Arbeit und auch den Umgang mit Fehlern damals müssten Mahnung und Ansporn dafür sein, dass sich solche Übergriffe nicht wiederholen dürften. Die Diakonie könne das Leid der Verschickungskinder nicht ungeschehen machen. Sie bitte aber alle die ein tiefes Leid erfahren haben und damals lange damit alleingelassen wurden um Entschuldigung. 

Die "Stiftung Kinderheilanstalt Bad Salzdetfurth" war von 1962 bis zu ihrer Auflösung 1970 Mitglied bei der "Inneren Mission", einer Vorläuferin des heutigen Landesverbandes der Diakonie in Niedersachsen. Sie unterhielt drei Heime für Verschickungskinder. Die Dokumentation sei nur ein erster, bewusst sachlicher Schritt gewesen, sagte Lenke. Anhand der Ergebnisse solle nun der bereits bestehende Dialog mit ehemaligen Verschickungskindern intensiviert werden.

fx

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