Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister hat nach der Veröffentlichung der Studie über sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche Konsequenzen angekündigt. Er sagte heute in der "Hildesheimer Allgemeinen Zeitung", dass Strukturen deutlich geworden seien, die diese Taten begünstigen. So habe man unter anderem unterschätzt, welche Auswirkungen die pastorale Macht von Geistlichen habe - die Sonderstellung von Pastorinnen und Pastoren und das Machtgefälle, das sich daraus ergebe. Auch müsse die Vermischung von Privatem und Dienstlichem unter anderem in Pfarrhäusern genauer untersucht werden. Statt das Leid der Betroffenen in den Blick zu nehmen, sei teilweise christliche Vergebung von ihnen eingefordert worden, in einer Weise, die auch "theologisch haarsträubend" sei. Schutz- und Präventionskonzepte vor Ort müssten so gestaltet werden, dass sie Gefahren und das Risiko für sexualisierte Gewalt reduzieren und Handlungssicherheit schaffen.
Meister zeigte zugleich Verständnis für die Kritik des unabhängigen Forschungsverbundes an den Landeskirchen, die eine „schleppende Zuarbeit“ beklagt hatten. Dies liege auch an mangelndem Personal - es gehe um zehntausende Dokumente aus mehr als 70 Jahren. Auch die bisher ausgesparten Personalakten würden noch eingesehen. Ein Teil der Verzögerungen sei auch darauf zurückzuführen, dass die Fragebögen auf die katholische Kirche zugeschnitten waren, so Meister. Dies sei ein Zeichen von Überforderung, aber nicht von mangelndem Aufklärungswillen. Meister sagte, die Kirche sei ihren Ansprüchen und vor allem den berechtigen Ansprüchen der Betroffenen nicht gerecht geworden.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hatten im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) seit 2020 Fälle von sexualisierter Gewalt in den 20 Landeskirchen und der Diakonie untersucht. Sie fanden für den Zeitraum von 1946 bis 2020 mindestens 2.225 Betroffene und 1.259 mutmaßliche Täter. In der Landeskirche Hannover wurden 122 Fälle und Verdachtsfälle von sexualisierter Gewalt ermittelt.
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